Testberichte

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50 000 KM Dauertest VW 1300
Veteran - noch immer aktuell

Der Volkswagen ist eines der erfolgreichsten Autos der Welt -, zugleich aber eines der umstrittensten. Immer häufiger muß er sich vorwerfen lassen, er sei veraltet, und doch entscheiden sich täglich 7000 Menschen in aller Welt für einen VW. Zweifel gibt es auch am Symbolgehalt des VW-Zeichens für Zuverlässigkeit und Qualität: "Der VW ist heute nicht mehr das, was er früher war", meinen manche, aber kühle Rechner entscheiden sich nach wie vor für ihn.
Für uns gab es also Gründe genug, uns mit dem sattsam bekannten Auto wiederum 50 000 km lang eingehend zu befassen. Die lange Testdauer ist erforderlich, um in die Rolle eines VW-Fahrers hineinzuwachsen, und sie bewahrt einen davor, den Wagen von einem anderen Fabrikat aus akademisch abzuurteilen. Denn nicht immer sind VW-Kritiker auch selbst VW-Fahrer. Andererseits unterliegen wir durch den täglichen Umgang mit Autos aus aller Welt nicht der Gewöhnung, die das Urteilsvermögen trübt. Der VW 1300 war ein Jahr bei uns, aber er war stets einer von vielen Testwagen. Nach 50 000 harten Kilometern in Sommer und Winter, im Stra0enverkehr und auf langen Reisen, weiß man außerdem eine Antwort auf die Frage, was es mit der sagenhaften VW-Zuverlässigkeit heute noch auf sich hat.

Karosserie

Wer moderne Autos kennt, kann sich im VW-Käfer nicht recht wohlfühlen. Die Karosserie, die mehr Verkehrsraum beansprucht als geräumigere Konkurrenten (Fiat 124, Peugeot 204, Austin 1100), ist innen nämlich ziemlich eng. Vor allem die geringe Innenbreite vorn und die dicht vor der Nase stehende Frontscheibe wirken bedrückend. Der Raum, den außen die Trittbretter belegen, fehlt innen. Ungewohnt, doch weniger von Nachteil sind auch die hohe Sitzposition und das nahe Armaturenbrett. Doch all diese Dinge stören einen um so weniger, je länger man mit dem VW zusammenlebt.
Schließlich stellt man fest, daß vier Personen ausreichend Platz finden, und daß man im Fond sogar recht bequem sitzt; denn der Käfer ist hinten breiter als vorn. Der Einstig nach vorn ist nicht unbequemer als bei neuzeitlichen Wagen. Nach hinten aber ist er schlecht: die relativ kurzen Türen lassen nur einen schmalen Durchstieg, durch den sich ältere oder ungelenke Menschen nur mühsam hindurchzwängen. Als Hindernis erweisen sich ferner die Lehnensperren an den Vordersitzen, die in dieser From schlecht zu bedienen sind. Größere Gegenstände, die man in den Händen trägt, muß man abstellen, weil man beide Hände braucht, um mit einer die Sperre und mit der anderen die Lehne zu bedienen. Für Fußbedienung ist der Hebel leider auch schlecht eingerichtet.
Die Sitze sind groß bemessen und gut gepolstert, aber primitiv in der Form. Sie geben wenig setilichen Halt, und nach langen Fahrten stellten sich bei fast allen Fahrern Kreuzschmerzen ein. Als äußerst strapazierfähig erwiesen sich die Stoffbezüge in unserem Testwagen, die wir den neuerdings auf Wunsch lieferbaren Kunstledersitzen unbedingt vorziehen. Nach 50 000 km waren sie weder verschossen noch in irgendeiner Weise verschlissen. Es hätten sich nicht einmal Schonbezüge bezahlt gemacht.

Ausstattung

Wenn man vom Käfer in andere Wagen umsteigt, fragt man sich, wofür die so viele Hebel und Knöpfe brauchen. Gäbe es einen Preis für die schlichteste Bedienungsanordnung, der Volkswagen müßte ihn gewinnen. Er kommt mit zwei Knöpfen am Instrumentenbrett aus und ist in bezug auf leichte Bedienung überhaupt ein Muster an Zweckmäßigkeit. Lediglich der Schaltehebel könnte 10 cm weiter hinten sitzen, und an die linke Tür gehört wie rechts ein Griff zum Zuziehen, der gleichzeitig als Armstütze dient.
Zur Klimatisierung des Innenraums stehen VW-Fahrern nur einfachste Mittel zur Verfügung. Frischluft gelangt lediglich durch die Fenster und - falls man eins hat - durch das Schiebedach ins Wageninnere. Eine Belüftung des Fußraums, wie sie moderne Wagen besitzen und wie sie der Käfer früher einmal hatte, ist nicht vorgesehen. Für eine zugfreie Belüftung und gegen das Beschlagen der Heckscheibe erweisen sich deshalb hintere Ausstellfenster (Mehrpreis DM 90,-) als vorteilhaft.
Die Heizung, bei früheren VWs eine kühle Sache, wurde in den letzten Jahren stark verbessert. Sie kann heute Unmengen von Heißluft in den Wagen blasen, doch da sie drehzahlabhängig ist, tut sie das nicht immer. Im Stadtverkehr zum Beispiel bekommt man bei großer Kälte nicht einmal die Scheiben frei, wenn man sich nur sprungweise vorwärtsbewegt und häufig mit Leerlaufdrehzahl vor der Ampel steht. Bei Streckenfahrt hingegen wird es auch bei großer Kälte warm im Wagen. Hier ist eher die schlechte Dosierbarkeit der Heizluft ein Problem. Auf stundenlangen Fahrten im Winter wirkt die stets unter Druck einströmende Warmluft lästig, speziell die an der Scheibe austretende Defrosterluft, die in die Augen zieht. Die VW-Heizung ist heute niedrigen Außentemperaturen gewachsen, kann aber im Heizkomfort noch nicht befriedigen.
Trotz den verhältnismäßig kleinen Fenstern und dicken Dachpfosten hat man aus dem Wagen heraus keine schlechte Sicht. Ein Nachteil der VW-Form liegt jedoch in der Unübersichtlichkeit der Karosserie. Weil sie die Wagenenenden nicht einsehen können, verschenken viele VW-Fahrer beim Parken und Rangieren wertvolle Zentimeter. Bei "Feindberührung" ist man mit dem Käfer dafür im Vorteil, da die weit vom Wagen abstehenden Stoßstangen einen kleinen Bums nicht gleich an die Karosserie weitergeben. Selbst mittlere Blechschäden gehen finanziell glimpflich ab; denn VW-Kotflügel lassen sich leicht auswechseln, und man bekommt sie aus Blech und aus Plastik und notfalls sogar im Kaufhaus, wo auch Stoßstangen und Radkappen für den VW zu günstigen Preisen offeriert werden.

Gepäckprobleme

Der Kofferraum steht eindeutig auf der Minusseite der VW-Bilanz. Wegen der hoch bauenden Vorderachse ist der Frontkofferraum erheblich kleiner als bei anderen Heckmotorwagen, und gegenüber konventionellen Laderäumen im Heck wirkt er wie ein größeres Ablagefach. Daß hinter dem Rücksitz noch ein Koffer Platz findet, und daß man, wenn es darauf ankommt, allerhand in den VW hineinbringt, sind schwache Gegenargumente. Wer nichts besseres kennt, zwängt sich geduldig nach hinten durch, um Koffer, Taschen oder Skischuhe zu verstauen und findet sogar unter den Vordersitzen noch etwas Platz. Doch wer einen richtigen Kofferraum (Opel Kadett, Form 12 M, Fiat 124) gewöhnt ist, bei dem er nur den Deckel zu heben braucht, um alles hineinzulegen, empfindet das als Zumutung. Der Platz für Kleinzeug beschränkt sich ebenfalls auf ein kleines Handschuhfach und flache Türtaschen, weshalb viele VW-Fahrer nachträglich eine Ablage unter dem Armaturenbrett anbringen.
Natürlich gilt diese Kritik für den mit vier Personen besetzten Wagen. Bei nur zwei Mann Besatzung gibt es in keinem Viersitzer Gepäckprobleme, auch nicht im VW 1300, bei dem man durch Umlegen der Rücksitzlehne zusätzlichen Laderaum schaffen kann. Das Volkswagenwerk hat dem Wagen bei unveränderter Form im Laufe der Jahre immer mehr Nutzraum abgerungen. Den heutigen Stand der Raumausnutzung im Automobilbau kann diese Karosserie natürlich nicht erreichen, denn raumökonomisch ist die Käfer-Form der heute gültigen Pontonform eindeutig unterlegen. Das muß man als Käufer wissen, und - wieviel Platz man braucht.

Straßenlage

An unseren privaten Volkswagen hatten wir immer Fahrwerksänderungen vorgenommen, im ihre Straßenlage zu verbessern. Den Dauertestwagen hingegen waren wir entschlossen, serienmäßig zu fahren, wie es bei unseren Testwagen üblich ist. Doch wir haben es nicht durchgehalten. Die Fahrsicherheit des VW 1300 fiel gegenüber den neuen bei uns im Test laufenden Autos zu stark ab.
Die ungünstige Gewichtsverteilung, die Art der Radaufhängung und die Karosserieform verleihen dem Volkswagen - am heutigen Stand der Entwicklung gemessen - eine mäßige Fahrstabilität. Sie drückt sich nicht allein in der starken Windempfindlichkeit aus. Auch Fahrbahneinflüsse, zum Beispiel eine lange, schräg verlaufende Bodenwelle, oder starke Querbeschleunigungen (hohe Kurvengeschwindigkeiten) bringen den Wagen leicht aus dem Kurs. Die Ursachen sind vor allem in der Hecklastigkeit, als Primärimpuls für das Übersteuern, sowie in der stark spur- und sturzverändernden hinteren Pendelachse zu suchen.
In Grenzsituationen, beispielsweise beim Drift in einer schnell gefahrenen Kurve, oder wenn ein schleudernder VW mit dem Hinterrad auf einen Bordstein oder ein anderes Bodenhindernis trifft, kommt es an der Hinterachse zum gefürchteten Aufstürzeffekt: Unter den quergerichteten Massenkräften nehmen die Hinterräder eine starke O-Stellung ein, wobei der Wagenschwerpunkt angehoben wird und sich gleichzeitig die Spur (also die Unterstützung für den Wagen) verschmälert. Die Folge ist ein schnelles Ankippen und in ungünstigen Fällen ein Umkippen des Wagens. In diesem Zusammenhang scheint eine Feststellung besonders wichtig: Es sind keineswegs nur Schnellfahrer, sondern viel häufiger unroutinierte Fahrer, die vom starken Übersteuern und den geschilderten Folgen überrascht werden.
Wir setzten uns nur einige tausend Kilometer mit dem serienmäßigen Wagen auseinander. Dann ließen wir den Hinterradsturz um minus 2,5 Grad verstellen und zogen Gürtelreifen (Größe 155-15) auf. Der negative Radsturz wirkt der Übersteuerneigung entgegen und verringert gleichzeitig die Aufstützgefahr. Ferner wird der Wagen stabiler gegen Wind unf andere Einflüsse. Allerdings kommt dadurch die Federung dem Anschlag ein wenig näher, weshalb die Maßnahme für Wagen, die häufig voll ausgelastet werden, nicht zu empfehlen ist. Beim vollbesetzten VW weisen die Hinterräder ohnehin einen negativen Sturz auf. Die Gürtelreifen ergeben unter anderem eine erhöhte Kurvenhaftung und machen sich durch ihre lange Lebensdauer bezahlt. Gute Erfahrungen machten wir mit dem Kléber Colombes V 10 und als Ganzjahresreifen, mit Continental Ra P 14 und Dunlop SP CB 57, wobei sich der Kléber und der Conti durch einen guten Abrollkomfort auszeichneten.
Erfreulicherweise trifft die obenstehende Kritik an der Straßenlage auf die wichtigsten VW-Modelle vom Jahrgang 67 nicht mehr in vollem Umfang zu. Die Typen 1300 und 1500 haben neuerdings eine breitere Spur sowie eine Ausgleichsfeder an der Hinterachse. Beide Maßnahmen haben den Käfer im Eigenlenkverhalten neutraler gemacht und ihm einiges von seinen Tücken genommen. Gleichzeitig bestätigen sie, daß die von TÜV und VW-Werk lange geschmähten Bastler, die alte Volkswagen mit Porsche-Felgen (breitere Spur) und Ausgleichsfedern ausrüsteten, nicht falsch lagen (siehe auch unseren Aufsatz "Die Besserungskur" in Heft 25/63).
Die 50 000 Kilometer mit dem VW 1300 waren von ständigem Bremsenärger begleitet. Es war weniger die Standfestigkeit der Trommelbremsen, die zu Beanstandungen Anlaß gab; denn Fading trat nur bei extremer Belastung (schnelle Bergabfahrten mit voll besetztem Wagen) auf. Vielmehr war es starkes Bremsenrubbeln, das immer wieder moniert wurde und das keine Werkstatt abzustellen wußte. Die Werkstätten versuchten es mit Erneuern der Bremsbeläge, mit Ausdrehen der Trommeln und schließlich mit neuen Trommeln. Doch das Rubbeln blieb. Heute hat das Werk selbst den 1500 Käfer von diesem Mangel befreit, indem es vorn Scheibenbremsen verwendet.

Nach Wochen anstrengenden Redaktionsdienstes mit viel großstädtischem Kurzstreckenverkehr verbrachte der Dauertestwagen einen Urlaub in Spanien.

Die Hecklastigkeit des VW hat allerdings auch einen Vorteil, nämlich die gute Wintergängikeit. Für Wochenendskitouren ins Gebirge war der VW bei uns Favorit, weil man mit ihm praktisch überall hinaufkam. Die hohe Belastung der Antriebsräder ergibt einen guten Vortrieb, und die großen 15 Zoll-Räder lassen einen auch in hohem Schnee nicht so leicht steckenbleiben. Deshalb steht der Volkswagen bei Leuten, die in abgelegenen Gegenden oder im schneereichen Gebirge wohnen, seit jeher hoch im Kurs.
Im direkten Vergleich mit anderen Autos konnten wir ferner immer wieder feststellen, daß der VW für seine Größe eine ausgezeichnete Federung besitzt. Die Torsionsfederung spricht auf kleine Stöße leicht an und schluckt auch große Unebenheiten erstaunlich gut. Federung und Stoßdämpfer sind offensichtlich gut aufeinander abgestimmt. In seiner Klasse liegt der Volkswagen im Federungskomfort mit an der Spitze.

Leistung

Kein anderes Werk pflegt mit der Motorleistung so zu geizen wie das Volkswagenwerk. Das liegt daran, daß dem betagten Vierzylinder-Boxermotor hohe spezifische Leistungen nicht zuträglich sind, und daß man die berühmte Zuverlässigkeit verständlicherweise nicht aufs Spiel setzen will. So bewegte sich der Käfer leistungsmäßig stets an der unteren Grenze seiner Klasse.
Der Sprung vom VW 1200 mit 34 PS auf den 40 PS starken 1300 war allerdings ein beträchtlicher. Auf dem Papier wirken 6 zusätzliche PS nicht besonders stark, doch im Fahrbetrieb macht sich der mit einer Hubraumvergrößerung gekoppelte Leistungszuwachs erfreulich bemerkbar. Der 1300 ist der erste Volkswagen, der auch leistungsmäßig einigermaßen befriedigen kann. Zwar sind seine Leistungsdaten mit ca. 125 km/h Höchstgeschwindigkeit und einer Beschleunigung von 0 bis 100 km/h in 24,5 s höchst durchschnittlich. Aber sie umfassen jene Geschwindigkeiten, die im heutigen Verkehr auf Landstraßen gefahren werden. Hinzu kommen die absolute Vollgasfestigkeit der Maschine, die es erlaubt, die Höchstgeschwindigkeit wirklich stundenlang bedenkenlos auszunutzen, und die gute Leistungscharakteristik. Der 1300-Motor besitzt nämlich viel Drehmoment ud ein gutes Durchzugsvermögen im unteren und mittleren Drehzahlbereich. Durch seine Spurtkraft bei Ampelstarts kann er selbst größere Wagen verblüffen. Von Nachteil ist, daß der VW-Motor nicht hoch drehen kann. Bei 5000 U/min, das sind im III. Gang ca. 100 km/h, ist er am Ende, was sich bei Überholmanövern manchmal kritisch auswirkt. Hier bieten die 67er-Modelle die bekanntlich einen längeren III. Gang bekamen, und vor allem der stärkere VW 1500 etwas mehr Sicherheit.
Viele Leute kreiden dem Volkswagen einen hohen Benzinverbrauch an. In Anbetracht von Leistung und Wagengewicht sind die 10,6 Liter/100 km, die wir im Schnitt über 50 000 km verbrauchten, tatsächlich nicht wenig, und es ist kein Geheimnis, daß der VW-Motor mit seinem langen Ansaug-Geweih nicht besonders wirtschaftlich arbeitet. Wenn man aber bedenkt, daß der VW im Gegensatz zu den meisten Neuerscheinungen auf dem Automarkt mit Normalbenzin auskommt, kann man kaum von überhöhten Benzinkosten sprechen. Unser Testwagen zeigte gelegentlich, wenn er lange im Stadtverkehr bewegt worden war, ein geringförmiges Beschleunigungsklingeln. Trotzdem hielten wir es für unnötig, ihm Superbenzin zu geben.
Die Startautomatik, die Anfangs allerlei Kummer bereitete, ist heute eine narrensichere Sache - und eine praktische dazu. Nie hatten wir mit unserem Testwagen Startschwierigkeiten. Wer erlebt hat, wie ein Volkswagen nach einer kalten Winternacht auf die erste Schlüsseldrehung anspringt, sofort normal durchzieht und nie mehr abstirbt, der empfindet einen Starterzug als unbequemes Relikt aus vergangener Zeit. Diese geradezu idiotensichere Handhabung sowie die geringen Bedienungskräfte für Lenkung, Schaltung, Kupplung und Bremse machen den VW sympathisch; besonders jenen, für die das Auto nur ein notwendiges Überl ist, mit dem sie sich von A nach B begeben.
Im Straßenverkehr ist der VW nicht zu überhören. Er zählt von außen zu den lautesten Autos, und auch innen ist er nicht leise. Doch bekanntlich gibt es einen Unterscheid zwischen der Laustärke und der Lästigkeit eines Geräuschs, und dabei schneidet das VW-Geräusch nicht schlecht ab. Wir stellten fest, daß einen das rauschende Motorgeräusch in der Stadt mehr stört als auf langen Strecken, wo es sich den allgemeinen Fahrgeräuschen weitgehend angleicht. Dabei wirkt sich günstig aus, daß die Karosserie von Vibrationen und Resinanzen absolut frei ist.
Als schwacher Punkt im Antriebsblock erwies sich die Kupplung. Sie ist zu schwach dimensioniert und mußte innerhalb 50 000 km mehrfach nachgestellt und erneuert werden. Die erste war bereits nach 5500 km fällig. Auch wenn sie gut bei Kräften war, machte sie sich durch starkes Rupfen und schlechte Dosierbarkeit unangenehm bemerkbar. Eine stärkere Neunfederkupplung (Fabrikat Mähdrescher), die wir in einem anderen Volkswagen probierten, arbeitete mit höherem Pedaldruck, aber sonst einwandfrei.

Zuverlässigkeit

Sie steht an erster Stelle der Werbeargumente für den Volkswagen, und sicherlich entscheidet sich die Mehrzahl der Käufer nur darum für den VW, weil sie hofft, ein besonders robustes und wirtschaftliches Auto zu erwerben. Über die Haltbarkeit heutiger Volkswagen kann am besten unsere Störungstabelle Auskunft geben:

km
3 992 Kupplung rutscht
km 4 200 Kupplung rutscht, Bremsen rubbeln und lassen bei starker Beanspruchung schnell nach
km 5 920 Wassereintritt an der Windschutzscheibe
km 6 500 Heizung läßt sich nicht abstellen, Betätigungshebel lose
km 8 120 Bremspedalweg sehr lang; Kupplungspedal rutscht
km 15 280 Schalthebel vibriert, macht Geräusche
km 16 508 Bremsen rubbeln beim Abbremsen aus hohen Geschwindigkeiten
km 17 200 Kofferraumhaube schließt nicht, Wasser tritt ein
km 21 350 Kupplung schleift und rutscht
km 24 626 Tachowelle gebrochen
km 25 250 Schaltstange klappert
km 27 131 Kupplung rupft, Kofferraum undicht
km 32 650 Kupplung rupft, vorderer Kofferraum undicht
km 46 210 Fernlicht funktioniert nicht
km
49 870 Scheibenwischer fällt aus

Nach 50 000 km ist das eine erstaunliche Bilanz, wenn man betrachtet, daß ernsthafte Schäden praktisch nur an der Kupplung und an den Bremsen auftraten. Bei den übrigen Punkten handelt es sich um Kleinigkeiten. Motor, Getriebe und Radantrieb sind überhaupt nicht betroffen, und nie brauchte der Dauertestwagen abgeschleppt zu werden. Erstaunlich auch, daß sich zwischen 30 000 und 50 000 km - einer Periode, in der die meisten Dauertestwagen deutlich abzubauen beginnen - am wenigsten ereignete.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß es sich beim Volkswagen 1300 nach wie vor um ein ungewöhnlich robustes Auto handelt. Wie bei allen Fabrikaten gab es auch beim VW einige Serien, die technische Mängel hatten und die das Werk viel Kulanzgeld gekostet haben. Doch der allgemeine Qualitätsstandard ist nicht gesunken. Noch immer ist der Käfer überdurchschnittlich gut verarbeitet: Türen, Hauben und Deckel, Türschlösser und Fensterkurbeln, alles schließt und funktioniert einwandfrei, nichts wackelt oder hat unerwünschtes Spiel. Und 50 000 Kilometer gehen fast spurlos daran vorbei.

Wirtschaftlichkeit

Die Zuverlässigkeit ist es auch, die den VW wirtschaftlich macht. Hier die Aufstellung der Wartungs- und Reparaturkosten:

km
707
Inspektion mit Ölwechsel kostenlos
Ölkosten DM 18,50
km 4 100 Kupplung nachgestellt kostenlos
km 5 422 Kupplung erneuert Kulanz
Schmierdienst mit Ölwechsel DM 15,00
km 10 750 Bremsbeläge erneuert (Energit) alle vier Bremstrommeln ausgedreht kostenlos
km 11 325 Inspektion mit Ölwechsel und Material DM 38,40
km 11 850 Vordere Bremstrommeln ausgewechselt kostenlos
km 17 330 Schmierdienst und Ölwechsel DM 16,25
Kupplung und Bremsen nachgestellt DM 16,25
Heizklappen gängig gemacht DM 12,75
km 21 348 Inspektion mit Ölwechsel und Material DM 39,50
Anläßlich der Inspektion wurden die Vibrationen der Schaltstange beseitigt
km 24 636 Tachowelle erneuert DM 4,50
km 26 190 Vier neue Reifen DM 334,--
Montage DM 9,50
km 26 741 Ölwechsel und Schmierdienst DM 16,25
Kupplung und Kupplungsausrücklager erneuert DM 82,65
Vorderachse teilweise überholt, optisch vermessen und eingestellt DM 84,--
Heizung instandgesetzt DM 8,50
Geräusche der Schaltstange beseitigt DM 13,60
km 30 595 Inspektion mit Ölwechsel u. Material DM 28,80
km 32 680 Keilriemen nachgestellt kostenlos
km 34 390 Schmierdienst mit Ölwechsel DM 15,75
km 40 210 Windschutzscheibe erneuert DM 42,60
km 41 270 Inspektion mit Ölwechsel u. Material DM 51,50
km 45 170 Schmierdienst mit Ölwechsel und Wartungsarbeiten DM 54,25
km 47 410 Abblendrelais erneuert DM 11,50
km 49 700 Inspektion mit Ölwechsel u. Material DM 78,20
Blinkgeber und Schalter ersetzt DM 40,70
Bremsen vorn und hinten neu belegt, Bremstrommeln ausgedreht DM 79,--
km 50 030 Scheibenwischeranlage repariert, Scheibenwischermotor ersetzt DM 49,90
Startautomatik des Vergasers eingestellt DM 46,55
Bremsen eingestellt, Seitenverkleidung befestigt DM 21,30
Gesamtkosten DM 1229,70

Wartungs- und Reparaturkosten, abzüglich der Kosten für Reifen, Öl und Glasschäden 1,34 Pfenning/km.

Auf 50 000 km umgelegt, ergibt das einen Kilometerpreis von 1,34 Pfenning. Wir glauben nicht, daß es viele Autos gibt, mit denen man 50 000 km unter dem Strich billiger zurücklegen kann. Schon gar nicht, wenn man am Ende in die Rechnung auch noch den Wiederverkaufswert einbaut. Unser Testwagen wurde von 10 verschiedenen Fahrern benutzt und nicht geschont. Aber er befand sich am Schluß in einem Zustand, der uns um einen guten Wiederverkaufswert nicht bangen ließ.
Der anhaltende Verkaufserfolg des VW-Käfers kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Auto in wesentlichen Punkten veraltet ist. Das gilt insbesondere für die Karosserie, die für ihre Größe zu wenig Innenraum und Kofferraum besitzt, aber auch für die Fahreigenschaften. Nur Gewöhnung kann verdecken, wie stark der Käfer neuzeitlichen Autos hier unterlegen ist.
Ferner entbehrt der Volkswagen jeglicher Reize, die eine Freude am Fahren aufkommen lassen könnten. Er ist ein sachliches Gerät für Autofahrer, denen das Fahren Mittel zum Zweck ist und nicht Selbstzweck, an dem sie Spaß haben.
Dennoch ist die Frage, warum er unvermindert gekauft wird, ebenso leicht zu beantworten: Es ist die Zuverlässigkeit und die daraus resultierende Wirtschaftlichkeit, die vielen Leuten wichtiger ist als hohe Leistung und automobile Annehmlichkeiten. Daß der VW 1300 sich vom Dauerbetrieb weniger beeindrucken läßt als andere Autos, hat unser Dauertest bewiesen. Auch mit hubraumschwächeren Kleinwagen fährt man insgesamt kaum billiger. Weitere starke Argumente für den VW sind der hohe Wiederverkaufswert und das umfassende, gut organisierte Kundendienstnetz.
Und noch ein weiteres Angebot darf nicht übersehen werden: Der VW gilt als klassenlos. Als VW-Fahrer wird man von seiner Umgebung nicht sozial eingestuft, wie es mit anderen Autos der Fall ist. Auch das ist für manchen Autofahrer, ob sie nun größer oder kleiner erscheinen möchten, nicht unwichtig. Trotz großen Unzulänglichkeiten ist der VW für viele ein brauchbares Auto - und wird es wohl noch eine Weile bleiben.

Manfred Jantke

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